Kommunikationsraum durch Struktur, Regel und Resonanz
Mediation im A_MMM beginnt nicht mit dem Reden, sondern mit dem Eintritt in ein soziales System – das System „Mediation“. Sobald sich Beteiligte auf ein Mediationsverfahren einigen, betreten sie einen kommunikativen Möglichkeitsraum, in dem nicht nur organisatorische Regeln, sondern auch tiefere, systemische Prozesse wirken. Mediation wird zu einem eigenständigen sozialen System, das sich durch spezifische Formen der Kommunikation und deren strukturierende Regeln konstituiert.
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Als sich die Medianden zum ersten Mal gegenübersaßen, war alles vorbereitet: Sie hatten sich auf die Zusammenarbeit mit dem Mediator verständigt, die Gesprächsstruktur war abgestimmt, die Regeln sichtbar notiert. Der Raum war ruhig, das Licht gedämpft.
Und doch: Kein Wort, keine Bewegung. Eine gespannte Stille lag zwischen ihnen.
Erst als der Mediator sagte: „Sie müssen jetzt noch nichts sagen. Es reicht, wenn Sie da sind.“ – atmete die Frau auf. Der Mann hob kurz den Blick.
Später sagten beide: Der Moment des gemeinsamen Schweigens war der Anfang. Nicht des Gesprächs – sondern der Möglichkeit, sich wieder zuzuhören.
Die formierende Kraft der Mediationsregeln
Die Regeln, die zu Beginn einer Mediation gemeinsam vereinbart werden, sind das fundamentale Strukturprinzip dieses Systems. Sie wirken nicht nur als verfahrensleitende Absprachen, sondern bilden die Grundlage für das Miteinander und die Resonanz innerhalb des Mediationsprozesses. Wesentliche Mediationsregeln sind:
- Freiwilligkeit schafft Autonomie,
- Vertraulichkeit erzeugt Schutz,
- Allparteilichkeit sichert Gleichgewicht,
- Strukturierung durch Phasen gibt Orientierung.
Diese Regeln definieren die Konstitutionsbedingungen des Systems „Mediation“ und grenzen es von anderen sozialen Prozessen ab.
Kommunikation im Modus des gegenseitigen Verstehens
Im A_MMM wird Kommunikation in der Mediation nicht als Positionierung verstanden, sondern als ein Prozess des gegenseitigen Verstehens. Hier geht es nicht um Streit oder Rechthaben, sondern um Verstehen, Spiegeln, Aufschlüsseln und Sinnstiftung. Der Mediationsprozess fördert die Entwicklung eines Verständnisses, das nicht nur auf den Austausch von Informationen zielt, sondern auf die Schaffung von Resonanz zwischen den Beteiligten.
Die Kommunikation im Rahmen des A_MMM orientiert sich stark an Niklas Luhmanns 'Theorie sozialer Systeme'. Luhmann betrachtet darin Kommunikation als wesentlichen Träger sozialer Systeme. Kommunikation wird hier als prozesshafter Vorgang verstanden, der aus drei wesentlichen Elementen besteht:
- Information: Was wird mitgeteilt?
- Mitteilung: Wie wird es gesagt?
- Verstehen: Wie wird es aufgenommen?
Luhmann hebt hervor, dass Kommunikation nicht nur ein technischer Austausch von Informationen ist, sondern ein dynamischer Prozess, bei dem die Beteiligten nicht nur sprechen, sondern auch aktiv mitdenken, mitschwingen und mitdeuten. Auch das Zuhören wird als aktive Kommunikation verstanden, da es Resonanz erzeugt und die Bedeutungsbildung unterstützt.
Zuhören als aktiver Teil der Kommunikation
Das achtsame Zuhören ist ein oft unterschätzter, aber essenzieller Bestandteil der Kommunikation in der Mediation. In Luhmanns Kommunikationstheorie wird Kommunikation als ein drei-teiliger Prozess verstanden, der alle Beteiligten aktiv einbezieht. Auch Zuhören – selbst ohne direkte Teilnahme am Gespräch – ist eine aktive Form der Kommunikation, bei der Resonanz erzeugt wird. Die Zuhörenden werden zu aktiven Bestandteilen des sozialen Systems „Mediation“, da sie mitdenken, mitschwingen und mitdeuten.
Strukturierte Kommunikation: Stärke durch Differenzierung
Das Prinzip der „Einzelrede“, bei dem immer nur ein:e Mediand:in spricht, während die anderen bewusst zuhören, ist kein Hindernis, sondern eine strukturierende Leistung des Systems. Im A_MMM gilt dieses Prinzip während des Prozesses des subjektiven Verstehens und der Selbstklärung – dieser Prozess ist als „Weg des Verstehens“ definiert und bildet einen zentralen Bestandteil der Mediation. In dieser Phase werden die individuellen Wahrnehmungen, Bedürfnisse und Gefühle der Beteiligten in den Mittelpunkt gestellt, wobei die Einzelrede dazu dient, einen fokussierten Raum für die Selbstklärung zu schaffen.
Sie ermöglicht:
- Rollenklarheit (Sprecher:in / Hörer:in / Resonanzhalter:in),
- Fokussierte Aufmerksamkeit,
- Emergente Verstehensprozesse, die es den Beteiligten ermöglichen, ihre Wahrnehmungen zu verdichten.
In den Phasen „Weg der Begegnung“ und „Weg des Gestaltens“ hingegen ist die Dialogform die gängige Praxis. Hier geht es darum, dass die Beteiligten im Austausch miteinander treten, ihre Perspektiven aktiv teilen und Lösungen gemeinsam entwickeln. Der Dialog fördert die gegenseitige Resonanz und die Kooperation zwischen den Beteiligten, was für die Gestaltung von nachhaltigen Ergebnissen erforderlich ist.
Der Dreiklang der Mediation
Der Dreiklang als Urform der Verständigung im A_MMM bildet den rhythmischen Puls des Mediationsprozesses. Er besteht aus den drei zentralen Modulen:
- Verstehen / Nicht-Verstehen,
- Vermitteln / Nicht-Vermitteln,
- Gestalten / Nicht-Gestalten.
Diese Codierungen sind nicht als lineare Abfolge zu verstehen, sondern als resonante Ordnung, in der alle drei Momente ineinandergreifen, sich gegenseitig bedingen und dynamisch durchlaufen werden. Die systemische Rahmung des Dreiklangs bildet eine strukturierte Form, die die tiefe Verbindung von Innen und Außen, von Selbst und Anderen sowie von Reflexion und Handlung sichtbar macht.
Mediation als strukturiertes Resonanzsystem
Mediation im A_MMM ist mehr als nur ein Verfahren – es ist ein resonantes System. Die Strukturierung der Kommunikation – durch Zuhören, Sprechen und die Anwendung von Mediationsregeln – schafft einen Raum, in dem Verständigung, Wandel und Einigung entstehen können. Der Dreiklang – Verstehen, Vermitteln und Gestalten – fungiert dabei als die innere Struktur dieses Prozesses.
Dieser dreifache Rhythmus ist keine stufenweise Logik, sondern ein dynamischer Puls, der den Mediationsprozess begleitet und seine Flexibilität und Tiefe sicherstellt. Der Dreiklang im A_MMM ist eine Resonanzpraxis, die sowohl die Gestaltung von Lösungen als auch die Erhaltung von Beziehungen ermöglicht.
🔗 Weiterführende Verbindungen
- Zur Struktur von Kommunikation: Sprache & Bedeutung
- Zur Differenzierung von Selbst–Beziehung–Welt: Mächtigung & Selbstbeziehung
- Zur Resonanz und Dialogform: Resonanzraum
- Zum systemischen Dreiklang: Die drei Wege
- Zur Praxis des Zuhörens: Impulse & Wegmarken
- Zur Anwendung im Kontext von Mediation: Mediation & Ausbildung