Mediation: Vom Fehler zum Wandel

Mediation Fehler Wandel

Ein Notfallraum in einem Krankenhaus. Monitore piepen, Entscheidungen fallen unter Zeitdruck. Später – wenn die Dramatik verflogen ist – bleibt nicht die Frage, wer versagt hat, sondern wie es dazu kommen konnte. Diese Verschiebung des Blicks – vom Individuum auf das System – ist der Ausgangspunkt des London Protocol.

Das London Protocol versteht Zwischenfälle als Ergebnis von Zusammenhängen: Patient:innenfaktoren, Aufgaben- und Prozessgestaltung, Teamdynamik, Arbeitsumgebung, Organisation und Umfeld greifen ineinander. Der Fehler ist nicht Endpunkt, sondern Anfang einer Lernbewegung.

Im Ad_Monter Meta Modell (A_MMM) findet sich dieselbe Bewegung: von der Darstellung zur Selbstklärung, vom Dialog zur gemeinsamen Gestaltung. Beide Ansätze setzen auf Struktur statt Schuld, auf Lernen statt Sanktion – und auf einen Sinnhorizont, der Orientierung gibt.

Von der Medizin zur Mediation

Auch in Mediationen können Situationen kippen: wenn Fakten unscharf bleiben, Kommunikation brüchig wird, Beziehungen erstarren. Die Versuchung, die eine verantwortliche Person zu suchen, ist groß – doch selten trägt sie allein. Das A_MMM spiegelt diese Komplexität, indem es Wahrnehmung, Beziehung und Struktur konsequent zusammendenkt.

Der Weg des Verstehens im A_MMM

Das Modell kennt keinen Sprung von der Position zur Lösung. Zwischen Darstellung und Entscheidung liegt der Weg des Verstehens:

  • c-it¹ – Darstellung: Gemeinsame Faktenlage, nachvollziehbare Chronologie, klare Begriffe.
  • c-me – Selbstklärung: Eigene Deutungen, Gefühle, Begrenzungen und Ressourcen in Resonanz bringen.
  • c-us – Begegnung: Dialog, in dem wechselseitiges Verstehen und Vertrauen wieder Boden gewinnen.
  • c-it² – Kooperation: Strukturen, Vereinbarungen und Verantwortlichkeiten, die tragen.

Diese Abfolge schützt vor der Illusion einer schnellen Lösung: Verständigung ist Arbeit am Fundament – nicht Dekoration am Dach.

Das übergeordnete Ziel – Global Goal

Beide Ansätze beginnen mit einer Sinnmarkierung: Im London Protocol wird das Ziel der Analyse explizit benannt („Patient:innensicherheit verbessern“). Im A_MMM wird das Global Goal als Orientierungsrahmen gesetzt. Erst diese Setzung verhindert, dass man sich im Klein-Klein verliert; jede Maßnahme wird daran rückgekoppelt.

Mediation als Resonanzarbeit

Aus der Verschränkung von London Protocol und A_MMM ergeben sich drei leitende Einsichten:

  • Fehler nicht personalisieren, sondern systematisieren. Entlastung eröffnet Handlungsfähigkeit.
  • Rahmenbedingungen ernst nehmen. Markt, Recht, Kultur und Geschichte wirken als Systemkanten mit.
  • Orientierung stiften. Ein gemeinsam getragenes Ziel macht Entscheidungen lesbar und haltbar.

Gedanklicher Ausklang

Vielleicht liegt die eigentliche Nähe zwischen London Protocol und A_MMM darin, dass beide eine zweite Geschichte unter der ersten erzählen.

Nicht die Geschichte des Fehlers.
Sondern die Geschichte des Lernens.

Im Operationssaal wie im Familienrat gilt:
Sicherheit entsteht nicht durch Fehlerfreiheit – sondern durch die Fähigkeit, Wandel aus dem Fehlerhaften zu schöpfen.

Conclusio

Brüche und Irritationen sind keine Störungen eines ideal funktionierenden Systems, sondern Erkenntnismomente. Sie markieren jene Kopplungspunkte, an denen Außen und Innen, Erwartungen und Strukturen ins Reiben geraten. Das London Protocol macht diese Stellen sichtbar und führt sie in präventive Stärke über; das A_MMM gestaltet sie als Resonanzräume, in denen Klarheit, Begegnung und Kooperation entstehen.

So verstanden ist Mediation nicht die Vermeidung von Bruchstellen, sondern die Gestaltung der Lernräume, die sich an ihnen auftun.

Poetischer Kernsatz: Zwischen Fehler und Wandel liegt der Raum, in dem Systeme lernen.

Reflexion – Fragen für die eigene Praxis

  • Welches „unsichtbare Dritte“ (Regel, Narrativ, Erwartung) wirkt in Ihrem Fall – ohne am Tisch zu sitzen?
  • Was klärt sich, wenn Sie konsequent den Weg c-it¹ → c-me → c-us → c-it² gehen, bevor Sie entscheiden?
  • Welche Systemkanten (Recht, Markt, Kultur) sollten als Gestaltungskriterien – nicht als Hinderungsgründe – begriffen werden?
  • Woran messen Sie, ob Maßnahmen dem Global Goal dienen – und wie sichern Sie diese Rückkopplung?